Eine Innenschau ist auch die einzige Möglichkeit für sich selbst festzustellen: Was brauche ich, was muss ich tun, wie muss ich meine Gedanken ordnen, um durchzuhalten, um nicht zusammenzubrechen.

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Die Virtualisierung der Zusammenarbeit, der Führung erzwingt jetzt, was bis dato gerne als esoterischer Quatsch, als unnötig, bestenfalls als frische Dusche mit einer Querperspektive abgetan wurde, nämlich wirklich draufzukommen, wer ich in dieser Rolle bin. Mehr noch: zu spüren, was an mir in Funktion echt ist, was nicht. Despektierlich auf die vielen Instrumente der Persönlichkeitserforschung und -entwicklung zu blicken ist jetzt die schlechteste, selbstschädlichste Idee.

Alte, mit allerlei Mühen aufrechterhaltene Fassaden bröckeln – oder sind längst abgebröckelt. Es ist jetzt spürbar, wer die Menschen sind, die führen. Auch wenn es nicht alle sofort formulieren können – Schwachstellen werden intuitiv wahrgenommen, da halten die turbulenten Umstände aktuell die Lupe drauf. Wann reißen die Nerven, wann ist das Gegenüber im Video schon so geladen, dass es kaum noch zu unterdrücken ist? Es geht also gar nicht anders, als dass die Stärke von innen kommt, statt sich aus der Funktionsfassade zusammenzusetzen. Dabei ist eine Innenschau auch die einzige Möglichkeit für sich selbst festzustellen: Was brauche ich, was muss ich tun, wie muss ich meine Gedanken ordnen, um durchzuhalten, um nicht zusammenzubrechen zwischen Videokonferenzen, am Ende des Tages.

Wer jetzt seine Kraftquellen, seine inneren Ruheorte als Führungskraft nicht kennt, der kann auch seinem Team nicht helfen, diese für sich zu finden. Wer jetzt selbst nur noch am Limit ist, bringt auch die anderen an oder über die Grenzen der Strapazierfähigkeit. Ein guter Indikator für schlechte oder eben gute Führung.